Fall des Monats

 

Kartoffel in der Speiseröhre

Es erzählt: Border Collie Hündin „Frieda“, 5 Jahre

«Dass ich Euch hier meine Krankengeschichte erzählen kann, habe ich der Tierärztin und der Anästhesie-Technikerin der Kleintierklinik S. in Flamatt zu verdanken. Sie haben mit Know-how, Feingefühl und viel Geduld dazu beigetragen, dass mir eine Hochrisiko-Operation erspart geblieben ist, und ich heute wieder im Vollbesitz meiner Kräfte zu meiner Familie schauen kann.

Zu grosser Brocken

Nun, die traurige Geschichte begann an einem Samstagabend, als ich mich mit Heisshunger auf mein Futter stürzte. Einverstanden, meine Essmanieren sind nicht die besten. Bei mir muss es schnell gehen. Fressen ist meiner Meinung nach purer Zeitverlust. Ausserdem läuft man bei allzu gemächlicher oder in Etappen aufgeteilter Nahrungsaufnahme Gefahr, dass einem plötzlich der noch halbvolle Napf unter der Schnauze weggezogen wird.

„Der Hund hat scheinbar keinen grossen Hunger", heisst es dann.

Dem wollte ich vorbeugen; Happen um Happen verschwand in meinem Schlund, verständlicherweise verzichtete ich unter den gegebenen Umständen auf eine ausgiebige und insbesondere zeitraubende Kauerei. Meine Futterschale war denn auch ratzfatz leer. Selbst die grössten Brocken würgte ich runter, muss allerdings zugeben, dass mir einer dieser Brocken „schlucktechnisch“ alles abverlangte – aber auch dieses Ding wanderte schliesslich abwärts. Ein Erfolg auf ganzer Linie...?

Schwarzer Fleck auf dem Röntgenbild

Nein, ganz offensichtlich nicht. Denn mir wurde kurz nach dem Futtern – mit Verlaub gesagt – kotzübel. Ich musste heftig erbrechen, bis ich nur noch Schleim und Wasser ausspucken konnte. Klar, dass sich meine Familie grosse Sorgen machte und mich auf Anraten der Ärzte notfallmässig in die Kleintierklinik S. brachte.

Nachdem ich mich im Behandlungszimmer so quasi zur Begrüssung erneut übergeben musste, tastete mir die freundliche Ärztin sofort den Bauch ab. Diese Palpation, so heisst der Vorgang im Doktor-Jargon, war allerdings nur der Anfang. Um den Verdacht auf einen verschluckten Fremdkörper oder eine Magendrehung auszuschliessen, wurde ich dann unter das Röntgengerät gelegt. Die Untersuchung des Magens ergab eigentlich nichts Aussergewöhnliches, festgestellt wurde lediglich, dass sich Luft im Magen befand – auf dem Röntgenbild als schwarzer Fleck ersichtlich.

Kartoffel im Ösophagus

So schnell wollte die Ärztin die Flinte respektive das Röntgengerät jedoch nicht ins Korn werfen. Nun sollte auch noch die Speiseröhre unter die Lupe genommen werden. Und da kam des Übels Ursprung ans Licht: Frau Doktor entdeckte im thorakalen Bereich (Brustbereich) der Speiseröhre einen dunklen, eierförmigen Gegenstand.

Wie sich im Gespräch mit meiner Familie herausstellte, handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Kartoffel. Unzerkaut geschluckt, blieb die vermaledeite Knolle im Ösophagus (Speiseröhre) stecken, bewegte sich weder vorwärts noch rückwärts und sorgte für eine Art Vakuum zum Magen hin.

Das Ding war offenbar ziemlich „al dente“, eine Aussicht auf einen „natürlichen Abgang“ bestand demnach nicht.
Fazit: Die Kartoffel musste irgendwie raus; notfalls operativ, denn auch die Luftröhre, die sogenannte Trachea, wurde dadurch eingeengt.

 

 

 

 

Endoskopie und Gummischlauch

Im Wissen darum, dass diese Operation ein sehr hohes Risiko darstellt, wollte die Ärztin jedoch vorerst alles versuchen, um die Kartoffel auf andere Art und Weise ans Tageslicht zu befördern.
Ihre erste Idee: Das Teil mit Hilfe des Endoskops in den Magen stossen. Ich wurde sediert (beruhigt) und narkotisiert, dann führte man mir das Instrument durch Rachen und Schlund in die Speiseröhre ein. Der Einsatz führte leider nicht zum gewünschten Erfolg. Die festgeklemmte und vor allem durch das Vakuum festgesaugte Kartoffel liess sich nicht bewegen. 

 

Nun war guter Rat teuer. Indes, die Ärztin und die Anästhesie-Technikerin hatten die Erleuchtung. Zum Endoskop, an dessen unterem Ende eine Lichtquelle und eine kleine Kamera angebracht sind, wurde mir ein Gummischlauch in die Speiseröhre geschoben.
Ziel der Übung war es, damit Stück um Stück aus der Kartoffel zu entfernen, also gewissermassen „einen Tunnel“ zu bohren, so dass das Vakuum gelöst und die Knolle dann in den Magen gestossen werden kann. Die Anästhesistin führte diesen Schlauch, die Ärztin wies ihr mit dem Endoskop praktisch den Weg. Sage und schreibe zwei Stunden lang dauerte das mühselige Prozedere. Und dann war es soweit. Zur Freude des Klinik-Teams und meiner Familie flutschte die Kartoffel endlich in den Magen.

 

Minimalinvasiver Eingriff

Als man mich aus dem Land der Träume holte, fühlte ich mich bereits wieder pudelwohl. Und wenn das ein Border Collie sagt, muss ja etwas dran sein. Ich musste nicht mehr erbrechen und beim Fressen ging’s auch wieder zackig zu und her. Wegen der gereizten Speiseröhre musste ich während einigen Tagen Schmerzmittel schlucken. Ausserdem wurde ich antibiotisch abgedeckt. 

Ein lautes Wuff soll meine Dankbarkeit gegenüber Ärztin und Anästhesistin verdeutlichen. Ich bin froh, wurde mir eine heikle Operation erspart. Dank Scharfsinn, Geschick und Fingerspitzengefühl genügte ein minimalinvasiver Eingriff, um mich wieder auf die Beine zu bringen.»